Niklaus Schmid


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Juni Teil 1

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Juni Teil 1

Von peruanischen Meerschweinchen ...


Ob flach oder giebelig, zu einer Finca gehören ein Schwein, Hühner, Ziegen, Schafe, auch Puten und Tauben. Zusammen mit den Kaninchen hausen oft Meerschweinchen. Fragt ein Fremder, wozu die Meerschwein-chen dienen, erhält er ausweichende Antworten, weil schon vor ihm zu viele bei der Auskunft, die würden gegessen, irritiert geguckt haben. Dabei ist es keine Schande. Meerschweinchen sind unter dem Namen „Cuy“ in Peru ein Nationalgericht. Die südamerikanischen Nagetiere sind demnach ein Mitbringsel der Seefahrer, wie die Agaven und Feigenkakteen, die hinter dem Haus eine dichte Hecke bilden.

Zu jeder Finca gehören auch ein paar Olivenbäume. Die Bauern waren ja Selbstversorger, sind es zum Teil immer noch. Aprikosen und Granatäpfel, Feigen und Mandeln, an geschützten Stellen wachsen die empfindlichen Orangen und Zitronen. Die Maulbeerbäume stehen oft entfernt vom Haus.

... duftenden Sant-Ponç-Blüten ...


„Weil man die Diebe an ihren blutroten Händen auch von Weitem sehen kann“, meint Toni. Die Maulbeeren fangen Ende Juni an zu reifen. Beim Pflücken darf man die Früchte nur ganz zart anfassen, sonst zerplatzen sie, und nicht nur die Hände, sondern auch Gesicht und Oberkörper sind voll mit dem blutroten Saft.

Die frühen Feigen, die länglichen, blauschwarzen „breves“, müssten jetzt ebenfalls reif sein. Doch dieses Jahr findet man so gut wie keine. Es hatte im Winter zu viel geregnet. Profitiert haben davon der Thymian und eine Wildblume, die von den Einheimischen Sant Ponç genannt wird und sonst eher bescheiden auf den Brachen wächst. Dieses Jahr aber bilden die blassblauen bis lila Blüten auffällig dicke Kugelbüsche und bedecken ganze Landstriche. Die Wildblume, die zur Familie der Gamander zählt, wird wegen ihres süßlich würzigen Dufts auch Formentera-Lavendel genannt.

... und den hungrigen Silberfischchen


Wie muss das gerochen haben, wenn die Kirchgänger früher diese Blüten in Mengen auf den Kirchboden streuten, zu Fronleichnam oder eben zum Fest des heiligen Ponç. Mary, eine Amerikanerin, die die Gemeinde-bücherei betreut und sich seit Jahrzehnten mit den Pflanzen der Insel beschäftigt, hat mir das erzählt. Der heilige Ponç gilt als Schutzherr der Fliegen, was hoffentlich bedeutet, dass er gegen Fliegen schützt und vor allem gegen die Silberfischchen.

Dieses kleine, mit silbrigen Schuppen bedeckte Urinsekt ist allgegenwärtig, liebt Feuchtigkeit und Wärme, Kunst und Literatur. Meine Grafiken von Bella Brisel und Sioma Baram haben sie auf dem Gewissen und die Bücher von Raymond Chandler. Die Silberfischchen sind ein Fall, an dem selbst der raubeinige Detektiv Philip Marlowe zerbrechen würde.

Früher legten die Bäuerinnen ein Sträußchen Formentera-Lavendel zwischen die Wäsche; ich hänge eines vors Bücherregal. Sant Ponç, hilf!

Fortsetzung folgt...
am 15. Juni ...
am 15. Dezember a
aamaa...a.a.... .


Aktualisiert am 1. Juni 2019 | kontakt@niklaus-schmid.de

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