Niklaus Schmid


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Mai

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Mai
Von Schneckenspuren am Wegesrand ...


Es gibt nichts Schöneres als Mairegen. Er kann recht heftig sein, doch man weiß, dass er nicht lange andauert. Danach sind die Pinien frisch gewaschen, und auch der Himmel ist wie blank geputzt. Die Erde dampft und riecht gut. In der Sonne glitzern silbrig die Schneckenspuren. Ich mache mich auf die Suche, am Wegesrand, nahe den Hecken und beim Weinfeld. Nach einer halben Stunde ist die Plastiktüte voll.

Caragols sofregits nach Marias Rezept:
Schnecken über Nacht in einen Topf legen, damit sie sich entleeren. Den Boden eines Tontopfes mit Fenchelkraut, Minze und Thymian auslegen; Schnecken rein, mit Wasser bedecken, 45 Minuten köcheln lassen.

Anschließend Olivenöl im Tontopf erhitzen, Zwiebeln, Tomaten und Knoblauchzehen klein hacken und dünsten. Pfefferschote und Gewürznelke hinzugeben und einkochen lassen, zuletzt die Schnecken mit einer Tasse Weißwein und reichlich Petersilie in den Topf geben und aufkochen lassen. Mit Pfeffer und Salz abschmecken, heiß servieren.

… dem Klagen der Lämmer ...


Mit der Freiheit der Lämmer und Zicken ist es vorbei. Sie staksen über die Felder, sie meckern und klagen. Die Bauern haben ihnen, Strick rechts, Strick links, die Beine zusammengebunden. Das soll sie daran hindern, die Mauern zu übersteigen. Den alten Schafen, die sich schon an den aufgezwungenen Passgang gewöhnt haben, geht es in diesem Monat an die Wolle.

Die Tiere scheinen es zu ahnen, Unruhe hat die Herde erfasst. Da hilft kein Zureden, die dicke Wolle sei für die Jahreszeit zu warm. Nein, ein Trick muss her. Wie absichtslos bewegt sich Manuel vor der Herde, dreht sich dann jäh um, fasst das ausgewählte Tier und wirft es auf eine Unterlage. Während er das Schaf am Boden festhält, setzt seine Frau Esperanza den Scherapparat an. Eine halbe Stunde später steht das Schaf nackt in der Sonne, und drei Kilo Wolle liegen auf der Plastikplane.

"Eigentlich lohnt es sich nicht", sagt Esperanza, "keiner will die Wolle haben. Aber die Schafe müssen ja geschoren werden."

... und Bob Dylans Pullover


Einst war die gute Schafwolle sehr begehrt, als Exportartikel und für den eigenen Gebrauch, für Bettdecken und Socken. Doch nur noch äußerst selten sieht man alte Frauen mit der Handspindel am Wegrand sitzen. Auch die etwas jüngeren Frauen, die strickten, während sie den Einkauf besorgten oder plauschten, sind aus dem Alltagsbild verschwunden. Eigentlich schade!

Obwohl ich nicht stricken kann, kaufe ich Esperanza einen Sack Schafwolle ab. Als Füllung fürs Kopfkissen gibt es nichts Besseres. Es ist braune Wolle, noch voller Knoten und Gras. "Nur mit klarem Wasser ausspülen", schärft mir Esperanza ein, "auf keinen Fall Waschmittel oder Weichspüler verwenden, etwas Fett muss in der Wolle bleiben!"

Ich halte mich an die Anweisung. Herrje, war das ein Schmuddelschaf! Es dauert lange, bis das Wasser sauber bleibt. Danach muss die Wolle ein paar Tage in lockeren Strängen auf der Mauer trocknen. Etliche Male muss ich die Katzen verjagen, die ein neues Spielzeug entdeckt haben; und noch öfter muss ich die vom Wind verwehte Wolle wieder einsammeln.

Wenn Besucher das Thema Wolle langweilig finden, erwähne ich, dass Bob Dylan bei seinen frühen Konzerten in einem Schafwollpullover aufgetreten sein soll.
Echt? Erzähl mal!
Später!

Fortsetzung folgt...
am 21. Mai ...
am 15. Dezember a
aamaa...a.a.... .


Aktualisiert am 24. April 2019 | kontakt@niklaus-schmid.de

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