Niklaus Schmid


Direkt zum Seiteninhalt

Monat August

Monatstexte<<<<


Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

August


Vom größten Feigenbaum der Welt …


Im August reifen die Feigen. Diese späte Sorte ist kleiner und süßer als die frühe. Die Früchte sind auch nicht blauschwarz, sondern grün bis violett. Es gibt rund ein Dutzend Sorten. Die Bauern stützen die Äste der Feigenbäume mit Stelzen und zusätzlichen Rundstangen. So lässt sich der Boden um den Stamm herum besser auflockern, die Schafe finden Schatten, und das Abernten fällt auch leichter.

Der größte Feigenbaum Formenteras, der Balearen oder der Welt, stand bei San Francisco. Er hatte hundert Stützen und einen Schirm von dreißig Metern Durchmesser. Doch der alte Stamm konnte die Last nicht mehr tragen, die Äste mussten beschnitten werden. Nun fehlt den Besuchern ein beliebtes Fotomotiv.

1947 gab es auf Formentera genau 3.285 Feigenbäume, fast auf den Punkt so viele wie Einwohner. Die Zahl stammt von Joan Vilà Valenti, einem katalanischen Geografieprofessor, der eine Studie über das gesellschaftliche Leben auf Formentera geschrieben hat. Ein halbes Dutzend der gezählten Bäume steht auf dem Land rund um Marias Finca.

… der traditionellen Greifstange …


Es sei Zeit, mit der Ernte zu beginnen, sagt sie. Die Feigen platzen bereits, sie zeigen ihr rosiges Fleisch. Maria sortiert die Früchte; die guten legt sie vorsichtig in einen Korb, den ihr Großvater aus Espartogras geflochten hat. Die überreifen Feigen bekommt das Schwein.

Nachdem Maria die unteren Zweige abgeerntet hat, holt sie aus dem Schuppen einen Greifstock, der wie eine Zange aus Löffel und Messer aussieht. Mit einer geschickten Drehung pflückt sie die Frucht, ohne dass diese zu Boden fällt. Nur die älteren Frauen ernten mit der traditionellen Greifstange, die jungen benutzen eine Leiter.

… und Tonis Ratschlag für das Schaltjahr


Zur besseren Konservierung taucht Maria die Feigen in kochendes Wasser. Anschließend schichtet sie die Früchte in flache Holzschachteln und stellt diese auf ein barrenähnliches Gestell. Hier, von der Sonne beschienen und vom Wind befächelt, müssen die Feigen acht Tage trocknen. Dann kommen sie, zusammen mit Thymian und Fenchel und den Blättern des Johannisbrotbaums, in eine Pappschachtel. Dort entwickeln die getrockneten Feigen ihre Würze und bleiben für Monate haltbar und lecker.

Als ich vor einiger Zeit einen Feigenbaum pflanzen wollte, riet Toni mir heftig ab: „No, Hombre, das hat keinen Sinn. Dieses Jahr hat einen Tag mehr, und Bäume, die man in einem Schaltjahr pflanzt, tragen keine Früchte.“
„Ist das so? Ganz bestimmt?“, hakte ich nach.
Nein, so ganz sicher sei er sich nicht. „Aber warum willst du etwas riskieren?“, fragte er. „Pflanz den Baum doch einfach im nächsten Jahr!“

Fortsetzung folgt...
.a.

< zurück zu Aktuell << zurück zu Bücher

<< zurück zur Startseite


Aktualisiert am 1. August 2017 | kontakt@niklaus-schmid.de

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü