Niklaus Schmid


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Text Juli Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Juli Teil 2

Von gebauschten Unterröcken …


Zwei Feste gibt es im Juli. Am 16. feiern die Seeleute und Fischer mit einer Bootsprozession den Tag der Jungfrau Carmen. Doch noch bedeutender ist der 25. Juli, an dem alle Jaimes ihren Namenstag haben und der Schutzpatron der Insel gefeiert wird. Traditionell gehören drei Hauptpunkte zum Festprogramm: ball pagès, tirada de galls und sa cantada.

Zum ball pagès, dem alten Tanz, treten die Paare in den Ring der Zuschauer. Die Frauen tragen lange Röcke, gebauscht von vielen Unter-
röcken, darüber blaue Schürzen, rote Schultertücher und weiße, mit Gold durchwirkte Kopftücher. Die
emprendades, Goldketten mit Broschen und großen Kreuzen, die seit Generationen von der Mutter auf die Tochter vererbt werden, zieren Hals und Brust.

… Burschen, die wie Hähne hüpfen …


Die Männer kleiden sich schlichter. Sie haben weiße Hosen und Hemden an, dazu rote Schärpen, schwarze Westen, Halstücher und lange rote Mützen, die kess auf ein Ohr fallen. An den Füßen tragen Männer wie Frauen die aus Hanf geflochtenen espardenyes.

Die Musiker beginnen zu spielen. Der Klang von Tamburin und Flöte, zu dem noch die großen Kastagnetten kommen, verrät den arabischen Einfluss. Ungewohnt für alle Fremden wirken auch die Tänze, bei denen die jungen Mädchen zierlich den Rock lüpfen und auf der Stelle trippeln, während die jungen Burschen wie Hähne um sie herumhüpfen.

… und dem nächtlichen Kalkbrennen


Die tirada de galls ist ein Spiel, bei dem mit einer Holzkugel auf Kegel geworfen wird. Das erinnert an das deutsche Kegeln, mit dem Unterschied, dass die Tirada de galls im Freien geschieht und der Sieger einen gallo, einen lebendigen Hahn, erhält.

Mit sa cantada wird ein von Trommelschlägen untermalter Rundgesang bezeichnet, bei dem die Texte philosophisch oder derb, lustig oder traurig sein können. Hin und wieder improvisiert der Sänger und macht Anspielungen auf Anwesende. Bis zu fünfzehn Minuten dauert der einzelne Vortrag, der ganze Rundgesang oft bis zum Morgengrauen. Früher, nach dem nächtlichen Kalkbrennen, ließen die Männer, wie um zu zeigen, dass sie noch Kraft genug hatten, über die Insel el grito, einen lang anhaltenden Ruf, erschallen.

Fortsetzung folgt

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aktualisiert am 15. Juli 2016 | kontakt@niklaus-schmid.de

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