Niklaus Schmid


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Kurzkrimi Nr. 11


Kurzkrimi Nr. 11


Vielen Dank, liebe Spinne!

Wenn ich hier so rumsitze und hin und wieder mit meinem Joint eine Spinne in die ewigen Jagdgründe schicke, dann denke ich an die Weiber, die ich früher gevögelt habe. Ich hab es auf dem Rücksitz von meinem Cabrio gemacht, in einem Zugabteil der Bundesbahn, stehend in einem Kornfeld oder im Sitzen in der letzten Reihe eines Kinos. Ich habe es im Wasser und an Sandstränden gemacht, an Steilküsten und in Aufzügen, egal, ob sie jung oder alt, dick oder dünn waren. Man soll doch keine Vorurteile haben.
...Ja, ich habe es mit Hausfrauen getrieben, wenn ihr Alter auf Schicht ging oder wenn er besoffen im Nebenzimmer auf der Couch lag.

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**

Meist hab ich sie ganz schnell rumgekriegt, manchmal hat es länger gedauert, und hin und wieder musste ich sie vorher auch in ein Restaurant einladen – oder ihnen Geld geben. Ja, ja, tolle Zeit!
...Aber verdammt lang her. Und das ist mein Problem. Wieso? Was heißt hier wieso? Weil ich an eine geraten bin, die mir das Leben schwer macht, richtig schwer. Einerseits bin ich immer noch überzeugt, dass sie von Anfang an darauf aus war, na klar, denn warum sonst trug sie damals ein Röckchen, so kurz, dass es bei
jeder Bewegung ihr weißes Höschen aufblitzen ließ. Andererseits lässt sie mich zappeln, schon seit Wochen. Nee, eine Schönheit ist sie nicht, eher so eine, die erst auf den zweiten Blick wirkt, dann aber umso mehr.

...Ich hab sie in einem Museum kennengelernt. Da staunen Sie, was? Nun, als sich bei mir die ersten grauen Haare zeigten, da hab ich mein Revier gewechselt, bin ich zu kulturellen Veranstaltungen gegangen, habe Kunstausstellungen besucht, und so landete ich schließlich auch mal in der Küppersmühle im Duisburger Innenhafen. Sie stand da mit schräg gehaltenem Kopf vor einem Bild von Georg Baselitz.
Ich stellte mich neben sie und hielt meinen Kopf
ebenso schräg und fragte, so über die Schulter, ob
ich das Bild für sie anders herum hängen solle oder
ob ich ihr bei einem Kopfstand helfen könne.
...„Das könnte Ihnen wohl so passen!“, sagte sie und strich mit der flachen Hand über ihren Minirock.

**

...Es klang abweisend und auffordernd zugleich. Erst jetzt sah ich ihr ins Gesicht und bemerkte so ein Glitzern in ihren Augen, ein Glitzern, das alles Mögliche bedeuten konnte, auch eingefärbte und falsche Kontaktlinsen.
...So oder so, für mich war die Sache klar. Ein Kaffee im Museumscafé und dann ab zu mir.

~

Dann waren wir in meiner Bude, aber sie wollte sich nicht einmal berühren lassen. Lass dir Zeit, sagte ich mir, sprich mit ihr. Worte, du musst sie schwindelig quatschen. Also sprachen wir, eine Stunde, vielleicht sogar mehr. Ich schaute ihr über den Tisch hinweg in die Augen und glaubte endlich so etwas wie Bereitschaft zu erkennen, doch kaum stand ich auf, da schrie sie: „Nicht anfassen!“

...Nicht anfassen! Wie sollte ich sie ins Bett kriegen, ohne sie vorher zumindest mal angefasst zu haben.
...Die erste Berührung, gewollt oder ungewollt, geschickt oder plump – egal! Aus Erfahrung weiß man doch, dass diese erste Berührung das Eis bricht. Der Rest kommt danach fast von allein. Aber ohne diesen ersten Körperkontakt, auch das weiß jeder, da geht es eben nicht.
...Wenn Worte nicht helfen, dann womöglich Alkohol. Beim nächsten Besuch hatte ich eine Flasche Sekt kalt gestellt. Sie trank die halbe Flasche, rülpste, eine andere Wirkung zeigte sie nicht. Oder doch. Während sie kurz darauf mein Badezimmer aufsuchte, baute ich einen Joint. Als sie zurück kam und hörbar die Luft einzog, bot ich ihr die Tüte an. Na, also, dachte ich.
...„Was ist das?“, wollte sie wissen.

***

...„Schwarzer Afghane.“ Ich stieß die Luft aus. „Vorkriegsware. Beste Qualität.“
...„Ich spür aber nichts.“
...„Lehn dich zurück, lass dich treiben.“
...Sie schloss die Augen, ich stand auf, ging auf sie zu, wie ein Engel sah sie aus. Als ich den Engel berühren wollte, schrie er: „Vorsicht, nicht anfassen!“
...Nicht anfassen! So ging das nun schon eine Ewigkeit.
...War sie zu ängstlich oder zu anständig? Um das herauszufinden hatte ich bei unserem letzten Treffen wie zufällig ein Pornoheft auf meinem Küchentisch liegen lassen, sie guckte auch ganz interessiert und ihre Augen bekamen wieder diesen eigentümlichen Glanz wie im Museum. Doch als ich meine Hand auf ihr Knie fallen ließ, rief sie wieder. „Nur gucken, nicht anfassen!“
...Es war wie in dieser blöden Bierwerbung. Allerdings

längst nicht so lustig. Im Gegenteil, ich stand kurz vor dem Durchdrehen. Wenn das so weitergeht, dachte ich, werde ich mir eine aufblasbare Puppe bestellen oder aus lauter Frust beim nächsten Spaziergang im Park dem Penner, der dort in dem Pavillon haust, in die Weichteile treten.
...Ja, soweit war ich. Um mich zu beruhigen fischte
ich mir, als sie weg war, ein Bier aus dem Kühlschrank
und machte den Fernseher an. Tiersendungen, die beruhigen mich, am liebsten sehe ich die Filme, in denen es richtig zur Sache geht. Löwen, die einer Antilope ins Genick beißen, Paviane, die mit gefletschten Zähnen auf Geparden losgehen, drollig ist auch immer wieder anzusehen, wie eine Bande Erpel eine junge Ente vernascht. O ja, auch bei dem drolligen Federvieh geht es oft mächtig rund.

****

...Bierflasche in der linken, Fernbedienung in der rechten Hand, schaltete ich durch die Programme, bis ich auf „Abenteuer Erde“ stieß. Der Moderator erzählte was von einem Kampf auf Leben und Tod. Hörte sich vielversprechend an. Tatsächlich war es ziemlich öde. Es ging um Spinnen, aber Spinnen zu beobachten ist ungefähr so aufregend wie dem Gras beim Wachsen zuzusehen.
...Doch dann war ich plötzlich hellwach. Der Typ im Fernsehen sprach über Spinnenfurcht und dass besonders Frauen darunter leiden und dass diese
beim Anblick von Spinnen auf der Stelle schwach würden und …

~

Am nächsten Tag, gleich nach meinem Frühstücksjoint, fuhr ich nach Duisburg-Neumühl. Der Verkäufer in der Zoogroßhandlung Zadak erzählte mir, was Spinnen
für tolle Mütter seien, wie sie ihre Brut fütterten und

schützten und wie schnell Spinnen sich vermehrten.
Die Worte kamen aus seinem Mund wie eingesponnene Fliegen, während ich, fast schon im Trance, den Kerl anschaute, der mit seinen dünnen Fingern vor meinem Gesicht herumfuchtelte und dessen dunkel behaarte Unterarme wie die Beine einer verdammten Vogelspinne aussahen.
...Vielleicht weil ich ihn so versonnen anschaute, vielleicht weil sonst kein Kunde da war, erzählte er mir alles Mögliche über Spinnen, kam auch auf die Spinnenfurcht im Zusammenhang mit Frauen zu sprechen und verstieg sich zu dem Satz: „Ohne die Spinnenfurcht, die so manches sittsame Frauenzimmer in die schützenden Arme eines furchtlosen Spinnenjägers treibt, also ohne diese archaische Arachnophobie wäre die Menschheit sicher schon ausgestorben. Hahaha! Ja, da schauen Sie, mein Herr, kleine Tiere, große Wirkung.

*****

...Genau, was ich suche, dachte ich und vergewisserte mich: „Tatsächlich große Wirkung? Mir schwebt nämlich was Wirkungsvolles für das Terrarium meines, ähm, Neffen vor.“
...Er sagte: „Ich zeige Ihnen ein Tierchen, das Ihrem Neffen Freude machen wird.“
...Für mich klang das wie: Ich zeige Ihnen ein Tierchen, das die kleine widerspenstige Schlampe umhauen wird.
...Ich sagte: „Nun, ich möchte sie schon beeindrucken, ich meine ihn, meinen Neffen.“
...
„Verstehe. Na dann.“ Er führte mich am Ellbogen zum Ende eines langen Regals, das aussah wie die Fernsehabteilung eines Elektronikmarktes. Nur dass hier lebende Viecher hinter den Scheiben hockten. Vor einem der Glaskästen blieb er stehen. „Wenn Sie ganz sicher gehen wollen, mein Herr, dann nehmen Sie
diese hier: Theraphosiedae, eine wahre Schönheit,
sie wird Ihren Neffen begeistern.“

...Für mich klang es wie: Der Anblick dieser Vogelspinne würde selbst eine Nonne in die Arme des Gehörnten treiben, wenn Sie wissen, was ich meine.
...Der Spinnenverkäufer zwinkerte mir zu, während ich die von ihm gepriesene Schönheit bewunderte, ihre stark behaarten Beine, den Kopf mit den Beißklauen und das Hinterteil mit den Spinnwarzen.
...„Sie hat nicht nur acht Beine, sondern auch acht Augen und am Hinterleib Brennhaare, die sie einem Feind durch Reiben der Beine entgegenschleudern kann. Diese Haare besitzen Widerhaken und verursachen derart starke Hautreizungen, dass selbst körperlich weit überlegene Gegner auf einen Angriff verzichten.“ Er sah mich an. „Sie lächeln, warum lächeln Sie, mein Herr?“
...„Nun, ich dachte, vielleicht nehme ich doch lieber einen Trommelrevolver, um den Typ zu beseitigen, der meine Frau belästigt. Wäre humaner.“

******

...Hah! Sie haben Humor, mein Herr. Aber weil Sie gerade von Schusswaffen reden. Wussten Sie, dass man aus Spinngewebe besonders leichte schusssichere Westen hergestellt und dass diese, was die Haltbarkeit betrifft, allen anderen Schutzwesten überlegen sind?“
...„Nein, wusste ich nicht.“
...„Doch! Ist so!“
...Der Zoofachverkäufer, der in mir endlich einen Kunden mit scheinbar endloser Geduld gefunden hatte, lief zur Hochform auf. Er sprach darüber, wie man Spinnen züchtet, was die Achtbeiner fressen und wie sie sich paarten. Es ging noch eine Weile so weiter, bis ich mich endlich für zwei mittelgroße Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, entschied und mich plus Futter und Einsteigerterrarium auf den Weg machte.

~

Eigentlich brauchte ich das Terrarium nur für den Transport. Denn als das neue Zuhause meiner Spinnenfamilie hatte ich mein Badezimmer auserkoren,

genauer gesagt, die Öffnung in dem stillgelegten Kamin des alten Wasserboilers. Ein wahres Spinnenparadies, das zudem nahe der Kloschüssel lag. Und irgendwann würde meine widerspenstige Museumsschnecke dort sitzen, und aus dem schwarzen Loch in der Wand würden acht Beine … iieeehhh!
...Während ich einen Zug aus meiner Pfeife nahm, hörte ich förmlich ihren Schrei, sah mich mit einem Turnschuh in der Hand ins Badezimmer stürmen … wo Schneckchen mit dem Ruf „Hilfe, da ist eine Spinne!“ in meine Arme sinken würde ... Und dann würden wir es auf dem Badewannenrand treiben, wild und heftig … Schneckchen würde hinterher „oh, danke, mein Retter!“ seufzen, während ich, für sie vielleicht unverständlich, nur sagen würde: Danke, liebe Spinne, du hast deine Schuldigkeit getan!
...Und anschließend würde ich das Loch in der Wand wieder verschließen.
...Aber noch war es nicht soweit.


*******

...Denn das Nächste, was ich von meinem Schneckchen hörte, war, dass sie nicht kommen könne, sie sei krank, nichts Schlimmes, eine Unpässlichkeit.
...Na schön, nachdem ich so lange gewartet hatte, kam es auf ein paar weitere Tage auch mehr nicht an.
...Zecken, die zur Klasse der Spinnentiere gehören, so hatte mir der Zooverkäufer verraten, könnten Wochen, Monate und sogar länger warten, um sich dann im richtigen Augenblick auf ein vorbeistreifendes Opfer fallen zu lassen. Die richtige Taktik. Ich ging meiner Arbeit nach, vertickte für Freunde deren olle Klamotten bei Ebay und kümmerte mich um die Spinnenfamilie. Wenn ich in der richtigen Stimmung war, blies ich meinen Achtbeinern einen guten Zug ins schwarze Wandloch und hin und wieder, wenn sich ein
Exemplar der jungen Brut abseilte, schickte ich es,
wie anfangs schon erwähnt, mit dem brennenden

Joint in die ewigen Jagdgründe.
...So auch heute.

~

Kurz zuvor hatte das Telefon geklingelt. Schneckchen war dran: „Ich dachte, ich komm mal vorbei.“
...Wann, wollte ich noch fragen, doch da hatte sie schon aufgelegt. War so ihre Art. Sie hatte eine Halbtagsstelle bei einer Jugendorganisation, half den Arbeitslosen bei Bewerbungsschreiben und sagte ihnen, wie sie sich bei Vorstellungsgesprächen anziehen mussten, um einen guten Eindruck zu machen. Nun, so ein Beratungsjob prägt, deshalb auch ihre knappen Ansprachen. Da konnte man nichts machen.
...Eine halbe Stunde später hörte ich sie an meiner Wohnungstür kratzen; wie Katzen es machen, wenn
sie ins Haus wollen. War auch so ihre Art.
...Ich machte die Tür auf.
..

*********

...„Überraschung!“
...Sie waren zu dritt. Nette Jungs, so Anfang bis Mitte zwanzig. Sie trugen weiße Hemden zu dunklen Stoffhosen und einen ordentlichen Haarschnitt wie die amerikanischen Collegeboys in den Fußgängerzonen, die dich zu religiösen Treffen einladen.
...Etwas unpassend war, dass einer mir gleich die Faust in den Magen rammte.
...„Wo?“
...„Äh, wo, was?“
...„Die Vorkriegsware, Alter.“
...„Keine Ahnung, wovon ihr Jungs …“
...Der zweite Schlag war kräftiger als der erste. Und er überzeugte mich. Man muss auch wissen, wann es Zeit ist, seine kleinen Geheimnisse preiszugeben. Ich gab ihnen meinen Stoff, bat aber, mir noch einen Joint drehen zu dürfen. Ich durfte. Entweder gehörten sie von Hause aus zu der wohlerzogenen Sorte oder sie hatten bei Schneckchens Beratungsstelle gut aufgepasst.
...„Okay, Alter, setz dich aufs Klo, bleib da ruhig sitzen. Dir passiert nichts, solang du die Tür geschlossen
lässt. Doch wenn du sie aufstößt, explodiert dieser

Sprengsatz.“ Der Wortführer zeigte auf eine Kola-Dose, an die ein Wecker befestigt war. „Verstanden?
...„Mm!“
...„Nach zwei Stunden entschärft sich das Ding. Dann kannst du die Tür öffnen. Und nun ab aufs Örtchen! Wir bleiben hier noch ein Weilchen. Hast du Wein
im Haus?“
...„Nur Bier. Steht im Kühlschrank.“
...Ich ging ins Badezimmer. Wenig später drang Musik durch die Tür; sie hatten Pink Floyd aufgelegt. „Dark Side of the Moon“. Lachen. Kichern. Dann drangen kratzende Geräusche und das Scharren von Füßen an mein Ohr; mein Besuch war dabei, die Sprengfalle an der Türklinke zu installieren. Ich setzte mich auf die Klobrille, nahm einen tiefen Zug, und, Mann, du kannst es glauben oder nicht, ich war so zufrieden, wie schon lange nicht mehr. Wenn man so gar nichts tun kann außer Warten, he!, da wird man ganz ruhig.
...Ich blickte mich um, der Wasserhahn am Waschbecken tropfte, ich wollte aufstehen und ihn schließen, vergaß es aber. Und wenig später wusste ich nicht einmal, ob ich es überhaupt versucht hatte.
War auch egal.


*********

...Ah! die Wände so weiß, wolkenweiß, schneeweiß, unschuldig weiß … nun ja, abgesehen von ein paar Flecken – Flecken, die, je länger ich sie betrachtete, zu Gesichtern wurden. War recht lustig. Bis ich dann diese Spinne sah. Sie kam aus dem Kaminloch, krabbelte über die Wand, hockte dann über meinem Kopf und schien zu grinsen.
...Mit ihren acht Augen! Was ist mit meinen Kindern geschehen?, schien sie zu fragen. Hä, sprechende Spinne?
...Der Afghane, blitzte es in mir auf. Mann, du hast dir zu viel in die Tüte getan. Mann, du bist stoned. Stoned? Tatsächlich! Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Panik. Au Mann, wenn das Biest sich jetzt an einem Faden runterlässt, dann …
...Ich spürte ein Kribbeln im Nacken, der Faden, ich wollte ihn wegwischen, konnte es aber nicht. Meine Arme zu schwer. Verdammt! Ich konnte mir nicht einmal die Ohren zuhalten. Da waren Stimmen. Schneckchen?
...Nein, eine Männerstimme: Mein Herr, wussten Sie, dass man aus Spinnfäden Schutzwesten herstellt, die

einerseits sehr leicht, andererseits aber so fest sind, dass sie Schüsse abhalten? Wo kam der Zooverkäufer plötzlich her! Spinnenweibchen sind sehr fürsorgliche Mütter und sie mögen es gar nicht, wenn man ihren Kindern mit einem Joint das Lebenslicht ausbläst. Zwar produzieren Spinnenweibchen 47 mal 47 Kinder in wenigen Tagen, aber sie kämpfen um jedes einzelne. Und sie sind sehr nachtragend.
...Nachtragend? Komisches Wort! Was tragen sie nach? Was tragen sie vor? Etwa ihre Brennhaare mit den Widerhaken? Oha! Jetzt nur nicht bewegen. Es kommen immer mehr. Das sind die Jungen. Auch sie schießen nun genau wie die Mutter die Fäden aus ihrem Hinterleib. Klebriges dünnes Zeug. Es juckt, aber ich darf mich nicht kratzen. Je mehr sich das gefangene Insekt im Spinnennetz bewegt, desto fester verwickelt sich das Opfer. Das ist es: Sie wollen, dass ich zapple, damit sich die Fäden enger um mich schließen. Also, ganz still, bleib ganz ruhig, Mann, sie beobachten dich, lehn dich zurück, schließ deine Augen, am besten
stellst du das Atmen ein. Vielleicht glauben sie dann, dass du tot bist …

**********

...„Wie sieht es aus?“ Der Kommissar war als
Letzter eingetroffen.
...„Herzstillstand. Vielleicht hat er sich ja mit dem
Dope vertan.“ Der junge Beamte wies auf den Joint
in der Hand des Toten, der mit dem Rücken
an der Wand gelehnt wie steifgefroren auf der Toilettenschüssel saß.
...„Herzschlag. Hm. Und was ist das da?“
...„Eine leere Kola-Dose und ein normaler Wecker, hingen beide an der Klinke der Badezimmertür. Vielleicht wollte unser Haschbruder einfach nicht
gestört werden.“
...Der Kommissar trat ganz dicht an den Toten
heran. Er untersuchte den Hals und den Nacken,
konnte aber keinerlei Anzeichen von Gewaltanwendung entdecken. Jedoch ein einzelner Spinnfaden erregte seine Aufmerksamkeit. Und als sein Blick dem Fadenverlauf folgte, entdeckte er zunnächt das Loch
in dem Kaminschacht und kurz danach eine Spinne,
die sich an dem Faden hoch hangelte. Eine aus

fünf Flecken bestehende weiße Kreuzzeichnung zierte ihren Hinterleibsrücken.
...„Moment! Wussten Sie, Herr Kollege“, wandte er sich an seinen Assistenten, der mit dem Notizbuch nach der Spinne schlagen wollte, „wussten Sie, dass wir den Spinnen die leichtesten und wirksamsten schusssicheren Schutzwesten verdanken?“
...Der Assistent ließ sein Notizbuch sinken. „Sorry, war so ein Reflex, meine Frau hasst Spinnen auf den Tod, die wird ganz hysterisch, wenn sie eine sieht, ruft mich dann immer zur Hilfe, hinterher bin ich ihr Held und wir …“ Er unterbrach sich, als er die ernste Miene seines Vorgesetzen sah, und mit Blick auf den Toten fuhr er fort: „Und er da, was meinen Sie, Chef?“
...„Nun, ich denke, er war high und hat dann, warum auch immer, ganz einfach mit dem Atmen aufgehört.“
...„Ein schöner, friedlicher Tod.“
...„Tja, wenn Sie das so sehen, Herr Kollege. Dann haben wir hier in der Tat mal einen wirklich schönen und friedlichen Tod.“

- ENDE -

Eine neue Story erscheint ......
am 15. Juni
.........


Aktualisiert am 15. Oktober 2023 | kontakt@niklaus-schmid.de

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