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Kurzkrimi Nr. 17
Hier bleibe ich !
Erste Besichtigung
Als Lydia Menzel den Besucher nach dem Rundgang durch den verwilderten Garten wieder auf das Haus zukommen sah, glaubte sie zu wissen, was der Mann ihr sagen würde.
...Doch der Besucher, groß, silbergrauer Bart, wandte sich an Lydias Ehemann, der sich bislang aus dem Verkaufsgespräch herausgehalten hatte. „Ziemlich hoher Preis, Herr Menzel“, sagte er bedächtig, „ich meine, für ein Haus, an dem doch so einige Reparaturen nötig wären.“
...„Na ja, das Grundstück, die Gegend, die Preise ganz allgemein hier im Schmallenberger Sauerland, auch das muss man in Betracht ziehen“, brachte Stefan Menzel stockend hervor, er war nervös, denn viel hing von dieser Hausbesichtigung ab. „Außerdem …“
*
...„Ach, Stefan“, unterbrach ihn Lydia, „ich finde,
wir sollten Herr Bonin zunächst einmal fragen, ob
ihm das Haus überhaupt gefällt. Denn so ein Preis ist, wie ja immer, auch Verhandlungssache.“ Lächelnd wandte sie sich dem Besucher zu. „Nun, Herr Bonin, was meinen Sie? Das Haus passt in die Landschaft, Bruchstein, Schiefer, Fachwerk, und es hat Charme, nicht wahr?“
...„Doch ja“, antwortete Bonin. „So von außen
besehen …“
...„Kommen Sie bitte. Gehen wir doch rein.“
...Er ließ ihr den Vortritt. Lydias Stimme, untermalt vom Stakkato ihrer Schritte, hallte durch die nahezu leeren Räume. Von der großen Küche führte sie den Besucher in den Wohnraum, den sie Bibliothek nannte, obwohl kein Buch zu sehen war. Bonin bemerkte die mit Mahagoni getäfelten Wände, allein sie und die zwar verblichenen, aber kostbaren Tapeten darüber zeugten vom früheren Wohlstand der Bewohner. Auf dem zerschlissenen Teppich standen, gruppiert um einen Gartentisch, vier Korbsessel.
...Die Frau setzte sich. Sie strich ihr Kleid, das eine Idee zu figurbetont war, um wirklich elegant zu sein, über den Knien glatt und machte eine den Raum umfassende Bewegung. „Die Möbel, das alte Zeug haben wir herausgenommen. Es will sich doch jeder nach seinem Geschmack einrichten.“
...Bonin nickte. „Der offene Kamin funktioniert noch?“
...„Das soll er wohl“, sagte Menzel. Es war das erste Mal, dass er sich, ohne direkt gefragt worden zu sein, an dem Gespräch beteiligte. „Obwohl es auch eine zentrale Ölheizung gibt, die unser Onkel erst vor zehn Jahren einbauen ließ.“
...„Wir würden das Haus selbst beziehen“, übernahm seine Frau wieder das Gespräch. „Aber mein Mann und ich sind nun mal Stadtmenschen.“
...„Bin ich eigentlich auch“, sagte Bonin. „Ich mag beleuchtete Straßen, Eckkneipen, eine Apotheke in der Nähe, auch Polizei“, er lachte kurz auf, „wenn’s mal nötig ist. Ich, das heißt wir, meine Frau und ich, leben seit ewigen Zeiten im Ruhrgebiet, wo es ja viel schöner und die Luft sauberer ist, als es sich die meisten vorstellen.“
...„Und warum wollen Sie …?“
...„Nun ja, wir dachten, wir sollten es mal auf dem Land zu versuchen“, beantwortete Bonin die halb gesprochene Frage. Er erhob sich und machte einige Schritte zum Fenster. Sein Blick schweifte über bunte Frühlingswiesen hin zu den bewaldeten Höhenzügen des Rothaargebirges, durch die der Orkan Kyrill seine Schneisen gezogen hatte. Kein Straßenlärm, das nächste Haus nur ein weißer Fleck, abends würden Rehe und Wildschweine zu sehen sein. „Doch ja, ich muss sagen, es gefällt mir. Hier könnte ich in Ruhe arbeiten und mich ganz …“, er atmete tief durch, „ … mich ganz der Pflege meiner Frau widmen.“
.....
Fortsetzung folgt ......
am 15. Juni... .....