Niklaus Schmid


Direkt zum Seiteninhalt

E-Book 3 anlesen

E-Books anlesen


Band 3, Story 1
Wehe, du wartest in Werl!


Die Tore der Werler Justizvollzugsanstalt schlossen sich hinter Robert Kaulenbach. Zu drei Jahren Haft hatte ihn der Richter verurteilt. Keine Bewährung, denn Kaulenbach galt als Wiederholungstäter, der die sexuelle Selbstbestimmung von einem halben Dutzend Frauen missachtet hatte, wie es in der Urteilsbegründung hieß.
Robbi riefen ihn die Knastkollegen anfangs, später nannten sie ihn respektvoll Professor oder kurz Prof, weil er seine Nase andauernd in Bücher steckte, solche mit verwirrenden Titeln wie
Totem und Tabu oder Verschwiegene Träume. Da er sich gut führte, wurde ihm nach zwei Jahren das letzte Drittel seiner Haft erlassen.


"Sobald Sie sich draußen das Geringste zu Schulden kommen lassen, eine Frau mit einer anzüglichen Geste belästigen oder ihr auch nur ein obszönes Wort sagen, legen wir Ihnen die Hand auf die Schulter", drohte noch einmal der Justizbeamte.
"Ich hab meine Lektion gelernt", entgegnete Kaulenbach, als er seine Sachen und den kargen Stücklohn für ein paar tausend montierte Kugelschreiber in Empfang nahm. "Ich tu nur noch das, was die Mädels ausdrücklich wünschen."
Das Gefängnistor öffnete sich, Kaulenbach blinzelte ins Sonnenlicht. Er war draußen. Links und rechts erstreckte sich die lange Backsteinmauer, überragt von dem Turm mit der großen Uhr. Nur nicht umdrehen, lautete die Knastregel, sonst bist du schnell wieder drin.
Sein Bewährungshelfer hatte ihm eine Unterkunft besorgt. Kaulenbach holte den Zettel heraus
...


Band 3, Story 2
Vorsicht Wildwechsel!


Das sandfarbene Auto fuhr durch die dunkle Nacht. In regelmäßigen Abständen schnappten die Scheinwerfer nach
den gleißenden Punkten der Begrenzungssteine, fraßen sich
näher, tasteten nach den nächsten. Der Mann am Steuer war
klein und grauhaarig. Mit ausgestreckten Armen lenkte er den Wagen so, dass der Stern auf der Kühlerhaube immer eine Handbreit vom Mittelstreifen entfernt war. Nur einmal, als zwei Lichtpunkte im Rückspiegel auftauchten, fuhr er vorsichtshalber rechts heran.
Das Fahrzeug, ein dunkler Kombiwagen, überholte ihn mit hoher Geschwindigkeit. Nachdem die Schlusslichter hinter einer Kurve verschwunden waren, griff der Fahrer zum Mobiltelefon.
"Trude, ich bin's. Ja, schon auf dem Rückweg. In einer viertel


Stunde bin ich zu Hause. Ja, das Fohlen ist wohlauf, und der Stute geht es besser." Erleichterung klang in Dr. Gerlachs Stimme, denn seine Befürchtung, das Tier womöglich mit einem hochdosierten Barbiturat einschläfern zu müssen, war nicht eingetroffen.
Geduldig hörte sich der Arzt noch die Ermahnungen seiner Frau an und versprach, vorsichtig zu fahren. Sie hat recht, dachte er. Wieder einmal nahm er sich vor, seine Praxis einem jüngeren Kollegen zu übergeben. Nur war das in einer ländlichen Gegend, wo der Tierarzt wegen einer kranken Kuh auch schon mal nachts aus dem Bett geholt wurde, gar nicht so einfach.
Das Geräusch des gleichmäßig drehenden Motors wirkte ermüdend. Er drückte das Gaspedal etwas tiefer, nahm aber sofort wieder den Fuß hoch, weil im Fernlicht ein Schild aufleuchtete, das vor wechselndem Wild warnte
...


Band 3, Story 3
Lieben Sie Katzen, Herr Nachbar?


"Mit so einem Traumwagen bin ich noch nie gefahren", sagte die Frau und blickte voller Bewunderung auf den in Folie verpackten Ferrari. Ihre rauchige Stimme war noch einen Hauch kehliger geworden.
Der Mann horchte auf. Plötzlich betrachtete er die Frau mit ganz anderen Augen.
Sie war groß und schlank und trug ein enges schwarzes Kleid mit breitem roten Gürtel. Ihr halblanges Haar war dunkel und glatt, ihr Gesicht kühl und beherrscht: eine Frau, die selbst im Sommer glaubhaft Pelzmäntel vorführen könnte, überlegte der Mann. Überhaupt konnte er sich eine Menge bei ihr vorstellen, so sehr beflügelte sie nun seine Fantasie. Für eine Journalistin war sie recht stark geschminkt, fast etwas nuttig, aber das gefiel ihm.
< zurück zu E-Books


Die Frau ließ den Ringblock, in dem sie während des Interviews Notizen gemacht hatte, in ihrer Schultertasche verschwinden und kramte stattdessen eine Zigarettenspitze hervor. Sie riss den Filter von einer Zigarette und begann zu rauchen, in einem altmodischen Stil, der jedoch zu ihr passte.
"Ich selbst habe ihn auch nur einmal gefahren", sagte der Mann, eine Hand lässig in der Hosentasche seines Maßanzugs, der die gleiche Grautönung wie sein Schläfenhaar hatte. "Vom Händler bis zu dem Pavillon hier, den ich für das Schätzchen extra haben bauen lassen - und das war's dann."
"Reizt es Sie nicht ein zweites Mal?"
"Kaum." Er hob die Schultern.
"Nicht mal eine kleine Spazierfahrt?" Ihre Hand folgte den Linien der Karosserie, und der Mann zuckte innerlich zusammen,
weil ihre Fingernägel rot lackiert und spitz gefeilt wie Krallen waren
...
> mehr hier
>>oder hier


Aktualisiert am 15. April 2024 | kontakt@niklaus-schmid.de

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü